Ach, ist es schon so weit? Leider ja! Die letzten elfeinhalb Monate sind für mich echt im Flug vergangen und mit Blogpost Nummero 107 möchte ich meine abschließenden Gedanken zum Auslandsstudium festhalten. Vorsicht, viel Text!
Schloss Himeji, fast vollständig restauriert |
Bevor ich das mache, aber kurz noch zwei Schnappschüsse vom Himejijō. Erinnert ihr euch noch an den großen grauen Gerüstklotz? Der ist nun fast vollständig weg, lediglich einige Kräne befinden sich noch auf der, ich glaube, Ostseite des Schlosses. Mit der richtigen Perspektive sieht man diese aber nicht!
Überbleibsel der großen Restaurationsbaustelle |
Über mein Studium
Leute, die meinen Blog verfolgt haben, denken sich, dass ich während meines Auslandsjahres mehr Urlaub als Studium hatte. Es stimmt, ich hatte in Deutschland wesentlich ernster und fleißiger studiert und auch wenn ich im ersten Okayama-Semester noch fleißig mit Reporten und anderen Hausaufgaben war, so hatte sich das spätestens im zweiten Semester gelegt. Ich hatte zwar nun mehr Unterricht an meiner Fakultät, aber entweder waren es Kurse, deren Inhalte ich schon aus Deutschland kannte und sie nur wegen des Vokabulars und einiger Variationen besuchte oder Kurse, deren Prüfungen ich nicht mitschreiben wollte, da sie jenseits des Semesterendes lagen und das Studium an der Okadai für mich eh gelaufen war. Die Kursinhalte hatte ich aber dank Tutorium jedes mal während des Semesters fleißig vor- und nachgearbeitet, sodass tatsächlich etwas hängen geblieben ist.
Im Vergleich zu den recht guten Fakultätsveranstaltungen waren die Sprachkurse am Fremdsprachenzentrum der letzte Mist, bis auf ein paar wenige Ausnahmen. Grund dafür war hauptsächlich, dass Spracheinstufungstests und Kursinhalte in keinerlei Zusammenhang standen, sodass man die nächsten Semesterkurse noch so gut vorbereiten konnte wie man wollte - die Inhalte kommen nicht in den Einstufungstests vor und so bleibt das Testergebnis für jeden, der sich noch einmal heranwagt, komplett gleich. Sowas passiert halt, wenn man einfachere Unterrichtsbücher einführt und die Tests nicht anpasst! Warum führt man eigentlich einfachere Bücher ein? "Damit mehr Leute bestehen!" Während des Semesters dann trotz Hinweis darauf, dass man den kompletten Kursinhalt bereits vorgearbeitet hat und man deswegen bitte höher eingestuft werden möchte, Überraschung darüber, dass man sämtliche Vokabellisten mit sich führt und die Tests und Klausuren mit Höchstpunktzahlen besteht, an dem Unterricht aber kein Interesse zeigt. Warum hatte ich denn nur nichts gesagt!? Das sind nur ein paar Sachen, die mich tierisch angenervt hatten, aber ich hatte ja schon mehrere Gespräche mit den verantwortlichen Professoren und auch mein Supervisor wurde zum Gespräch eingeladen, sodass für die neuen Semester Besserung gelobt wurde. Unter dem Strich fühlten sich die Sprachkurse für mich vor allem als Zeitverschwendung an, auch wenn ich natürlich was gelernt hatte, aber alles war einfach viel zu langsam und fühlte sich wegen des Unterrichtsstils einiger Lehrenden eher wie Schule an.
Besonders unersätzlich waren daher die regelmäßigen Treffen mit meinen Sprachtandempartnern und natürlich meinem Aikidō-Club, wo ich Japanisch fernab von Lehrbuchtexten lernen konnte und ich daher nicht gezwungen war, über absolut belanglosen Sch*** zu reden.
Fernab noch Dinge, die nicht unbedingt etwas mit dem Studium direkt zu hatten, aber noch irgendwie dazu gehören, darunter meine zwischenzeitlichen Jobs als Sprachlehrer und auf "Kulturaustauschveranstaltungen" und Teilnahmen bei abendlichen freiwilligen Sprachunterrichten, da mir der Unterricht an der Uni nicht genug Fortschritt versprach.
Was ich an der Okadai gelernt habe
Auch wenn das Thema Sprachkurs schon vor geraumer Zeit totgetreten wurde, hatte es mich beim Aufschreiben erneut ein wenig wütend gemacht. Aber mir war schon vor Antritt des Auslandsstudiums klar, mich nicht nur auf den Unterricht zu beschränken, sondern vor allem außerhalb der Uni mit Leuten zu reden und so mein Japanisch aufzupolieren. Da ich die meiste Zeit der Woche hauptsächlich im Club war und weniger "ausgegangen" bin, war ich natürlich immer noch recht nah an der Uni, allerdings kann man nicht abstreiten, dass ich auf diese Weise viel über japanische Etikette gelernt habe. All die Verneigungen und Redeweisen lernt man bei traditionellen japanischen Künsten am besten! Konfliktpotenzial entsteht natürlich, wenn der Sempai dann plötzlich hinter der Kasse des Convenience Stores steht...
Wenn man jetzt nunmal so viel Zeit nur unter Japanern und nur sehr selten unter anderen Austauschstudenten wie z.B. dem L-Café verbringt, dann wirkt das natürlich sehr eigenartig unter den anderen Austauschstudenten und sorgt für viele Gerüchte.
Über das L-Café möchte ich vorher etwas loswerden. Es handelt sich dabei um eine eigentlich sehr gemütliche und offene Lounge, wo so ziemlich alle Austauschstudenten hingehen, um Sprachaustausch zu betreiben, in der Hoffnung, Japanisch zu lernen. Tja, falsch gedacht, denn hier möchten die anwesenden Japaner vor allem Englisch reden, wie ich von einigen frustrierten Kollegen erfahren durfte. Der andere große Pluspunkt für viele ist, dass man hier vielleicht seine große Liebe findet, auch wenn vor allem der fließende Partnerwechsel im Vordergrund steht, was wiederum so einigen, deren Meinung ich sehr schätze, sauer aufstößt. Ich persönlich war vielleicht drei mal im L-Café, weil sie dort gute Grammatik-Nachschlagewerke haben, die in der Bibliothek doch etwas versteckter sind. Aber jedes Mal, wenn man sich einfach nur in Ruhe bei netter Atmosphäre hinsetzen und lesen möchte, wird man vor allem von den Angestellten dort belagert, die einen nicht nur mit Fragen Löchern, sondern auch direkt kritisieren, beispielsweise, warum man denn nicht häufiger käme und was man denn schon die ganze Zeit mache! Was war nochmal dein Job, wenn ich fragen darf!?
Soviel also zum L-Café, die Grundidee ist ja immerhin sehr gut. Wenn man also Austauschstudenten meidet, dann entstehen ganz interessante Gerüchte über einen, die sich noch recht hartnäckig halten, beispielsweise, dass man nur auf seinem Zimmer sei, komplett asozial sei und keine Freunde habe. Ach herrje. Das wird dann nur getoppt, wenn eine übergewichtige L-Café-Angestellte in ein bekanntes Schnellrestaurant in Uninähe bzw. ihr Wohnzimmer hereinstampft und Bemerkungen darüber macht, wie toll es doch sei, mich auch mal draußen zu sehen. Ich möchte das Niveau dieses Beitrags noch auf einem akzeptablen Level halten, daher werde ich jetzt nicht mehr weiter darauf eingehen.
Was habe ich also über die Okadai gelernt? Was habe ich über Okayama im allgemeinen gelernt? Die Uni ist sehr schön, die Gegend ist wirklich sehr schön, aber verdammt nochmal, mit was für Leuten hat man denn hier zu tun? Das könnte einem die ganze Auslandserfahrung zunichte machen, wenn man auch nur einen feuchten Dreck darauf gibt, was dumme Leute über einen denken. Das Ausländerwohnheim, in dem ich lebte, war bis auf ein paar Ausnahmen von Leuten besiedelt, die sich wie Schulkinder benahmen. Von daher bin ich sehr froh, in der Regel nur mit Japanern gesprochen und mich mit ihnen angefreundet zu haben. Zwischenzeitlich, vor allem während des ersten Semesters, hatte ich Phasen, wo ich mir überhaupt nicht sicher war, wie überhaupt mein Verhältnis zwischen mir und den Leuten aussah, mit denen ich täglich Kontakt hatte. Erst ab dem ersten Mal Trinkengehen zeigte sich dann, wer (z.B. aus meinem Club) wirklich meine Freunde waren und mit wem ich Spaß haben konnte und so bestätigte sich etwas, das ich nicht ganz wahr haben wollte: In Japan scheint man am besten Freunde zu finden, wenn man zusammen trinken geht (oder je nach Person sogar zum Karaoke, die zweite der zwei Möglichkeiten des typischen japanischen Nachtlebens). Denn sogar mein Club war relativ lange von mir distanziert, bis das erste Trinktreffen stattfand. Das, das tägliche japanische Umfeld und die täglichen auf Japanisch zu bewältigenden Alltagsaufgaben beispielsweise auch mit Ämtern sorgten zum Einen dafür, dass ich viele Freunde gefunden habe, über deren Abschied ich jetzt sehr traurig bin und zum Anderen dafür, dass ich im Umgang mit der Sprache viel selbstbewusster geworden bin, auch wenn ich weit davon entfernt bin, perfekt zu sprechen, aber das kann man nach drei Jahren Studium auch nicht erwarten.
Was ich zudem gelernt habe
Es gibt drei Bereiche, in denen ich wohl die größten Fortschritte gemacht habe: Aikidō, Reisen und Fotografie.
Fangen wir noch einmal kurz mit Aikidō an. Wirklich, ohne übermütig klingen zu wollen, würde ich schon sagen, dass drei bis vier Mal Training in der Woche viel gebracht haben, auch wenn der japanische Prüfungsplan andere Kenntnisse voraussetzt und größtenteils keine Angriffe aus der Bewegung berücksichtigt. Aikidō macht mir nach wie vor Spaß und hat mir auf jeden Fall den Unialltag gerettet. Clubaktivitäten sind ein sehr wichtiges Thema an japanischen Universitäten!
Reisen und Fotografie hängen natürlich irgendwie miteinander zusammen, aber ich möchte die Bereiche doch einzeln behandeln. Das Reisen ist nämlich ein weiterer äußerst wichtiger Bereich, den kein Austauschstudent außer acht lassen sollte! Immerhin ist man schon ans andere Ende der Welt gereist, warum sollte man jetzt nur in der Bibliothek versauern? Lieber auf eigene Faust etwas Landeskunde betreiben, Kultur und Geschichte hautnah erleben und auch die Natur wertschätzen. Reisen, reisen, reisen - das allwochenendliche Saufen kann man auch in der Heimat haben. Es geht vielleicht etwas zu weit, zu sagen, dass ich im Organisieren von Reisen viel gelernt habe, denn das meiste meiner Reiseplanung habe ich japan-guide zu verdanken! Alles Weitere an Lob haben sich die Tourismusorganisationen in Japan verdient, denn jede Präfektur betreibt eine eigene Internetseite mit allen Events und Sehenswürdigkeiten. Man kann sich auch kaum verlaufen, denn die meisten Kommunen haben entweder ein Tourismusbüro am Bahnhof, wo man sich eine Karte kostenlos bersogen kann oder sind sehr großzügig mit öffentlichen Wegweisern und Karten, sodass man sich als Tourist eigentlich nie verlaufen kann. Wo ich anfangs noch meine Trips sehr strikt geplant hatte, wurde ich mit der Zeit immer lockerer und spontaner und es war auch überhaupt nicht mehr schlimm, mal etwas auszulassen. Früh verabschied ich mich davon, für andere Austauschstudenten mitzuplanen und diese einzuladen, weil nie wirklich was von denen zurückkam und außerdem die Gruppendynamik in aller Regel jede Planung zunichte machte. Als Hobbyfotograf ist Gruppendynamik natürlich Gift für Kreativität und daher bevorzuge ich es nun, meistens alleine mit meinem eigenen Tempo zu reisen. Besonderes Gefallen habe ich daher auch an Radtouren und Wanderungen gefunden!
Damit kommen wir zur Fotografie. Dieser Blog ist der beste Beweis dafür, wie ich mich in dem Bereich verändert habe und vielleicht auch ein Hinweis darauf, dass ich einen kleinen Kulturschock hatte. Immerhin hatte ich zu Beginn wirklich alles fotografiert und konnte mich wirklich nie entscheiden, welche Fotos ich von den halbwegs akzeptablen aussortieren wollte, sodass ich anfangs viel zu viele Bilder hochgeladen hatte. Ein gutes Beispiel dafür ist der Vergleich zwischen meinen Herbst- und Hanami-Beiträgen. Während ich bei den Herbstaufnahmen mehrere Beiträge zu einer Tagesreise hochgeladen hatte, waren die Hanami-Bilder wesentlich gewählter. Klar, es spielte natürlich eine Rolle, dass das hier ein Blog und kein Kunstportfolio ist, sodass die Bilder häufig vor allem einen journalistischen Charakter haben, aber ich habe gelernt, dass man dann immer noch seine Auswahl einschränken sollte, denn, offen gesagt, mag ich viele meiner frühen Bilder und Beiträge gar nicht mehr, vor allem von den Herbstbildern. In Sachen Motivwahl und Technik möchte ich auch meinen, Fortschritte gemacht zu haben. Ganz witzig in dem Zusammenhang war, dass bei den Abschlussvorträgen in meinem Sprachkurs zweimal das Thema Fotografie vorkam, zuerst von mir und am selben Tag noch von einer anderen. Auch wenn ich sie Tage vorher fragte, was denn ihr geheimnisvolles Thema sei, wollte sie ihr Geheimnis bewahren und war daher ungerechtfertigt wütend auf mich, als ich vor ihr die Messlatte etwas nach oben legte... Ohne jedoch Bilder zu zeigen, denn es gab an dem Tag Probleme mit der Präsentation und ich musste sie daher noch am nächsten Tag zeigen. Zu Beginn ihrer Präsentation dann ein kurzer Schreck für mich: Das Cover-Bild war verdammt gut! Zu schnell stellte sich aber heraus, dass dieses Bild seinen Ursprung im Internet hatte und so kamen wir zu ihren eigenen Fotos, die mir, sagen wir, wieder mehr Zuversicht in meine eigenen Fähigkeiten gaben. Als ich am nächsten Tag einige meiner Reisebilder zeigte, wurde mal wieder mit Komplimenten nicht gegeizt, das aber zum ersten Mal im Sprachkurs. So zufrieden ich mit meinen Bilder größtenteils bin, so häufig dachte ich mir aber auf meinen Reisen, ob ich überhaupt fotografieren sollte und ob es nicht besser wäre, die Kamera einfach mal komplett liegen zu lassen, vielleicht sogar zu verkaufen und die Umgebung zu genießen, wie sie ist. Bei den Gedanken spielte natürlich das zusätzliche Reisegewicht eine Rolle und der Gedanke, dass sich das Reisen durch die Suche nach guten Motiven etwas zu sehr wie Arbeit anfühlte. Aber jedes Mal am Ende einer Reise war ich dann doch sehr glücklich darüber, Fotos geschossen zu haben, an die auch andere Gefallen finden können.
Ich glaube, die meiste Arbeit während des Japanaufenthaltes ist tatsächlich in den Blog hineingeflossen. Unzählige Stunden sind für die einzelnen Beiträge geopfert worden, aber die Hauptsache ist, dass er mir geholfen hat, eine Art Vorauswahl bei meinen Bildern zu treffen. Ohne den Blog hätte ich wahrscheinlich nie die Motivation gefunden, all die Bilder zu sortieren und teilweise zu bearbeiten, um sie noch ein wenig sehenswerter zu machen und daher ist das schon eine gute Sache. Auf der anderen Seite hätte ich mich dann bei wesentlich mehr Freizeit mehr auf japanische Videospiele gestürzt, die ich nun mehr oder weniger links liegen gelassen habe. Zu wissen, dass es zumindest ein paar Leute gibt, die meinen Blog lesen, hat mir dann auch noch die nötige Motivation für die Arbeit an eben diesem gegeben. Das und die Tatsache, dass ich es hasse, Sachen einfach abzubrechen.
Wie geht es weiter?
Der Blog ist mit diesem Beitrag an seinem Ende angekommen. Heute, am 30. August um 23:40 Uhr japanischer Zeit geht mit dem Abflug mein Auslandsjahr offiziell zu Ende, was aber nicht heißt, dass ich nicht irgendwann wiederkommen werde. Auf keinen Fall aber zum Arbeiten, soviel ist sicher. Nein, Arbeit steht jetzt erstmal in Deutschland auf dem Plan mit dem letzten Bachelor-Jahr und einem Nebenjob als Tutor. Zusätzlich heißt es auch noch auf Wohnungssuche gehen, weil weder Manager noch Makler einem Rückkehrer Wohnungs-Versprechen geben wollen, solange er im Ausland ist. Abgesehen von dem, was ich machen muss, noch etwas, was ich machen will, nämlich Zeit mit denen verbringen, die ich ein Jahr nicht mehr gesehen hatte, also Familie, Freunde und meine Videospiele! ;-)
Bei all der Arbeit, die ich in den Blog gesteckt habe, hoffe ich, dass ich nicht allzu häufig über meine Japan-Erfahrungen reden muss... Also dann: Besten Dank an meine Leser, viel Erfolg an jene, die vorhaben, noch in Deutschland ihre Blogs zu beenden und auf Wiedersehen, Japan! Es war alles in allem eine sehr schöne Zeit!
Hallo Fabio, vielen Dank für diesen Blg. Nun ist ein Jahr herum. Ein Jahr voller neuer Eindrücke. Ich hoffe wir dürfen Dich bald im Dojo wieder begrüßen. Es war schön die vielen Fotos zu betrachten. Sie versetzten einen - wenn auch nur im Geiste - nach Japan. Danke dafür. Ich wünsche Dir eine gute Heimreise und sage mal "Bis bald!!"
AntwortenLöschenGruß
Jürgen
Sehr schöner Abschlussbericht! Daumen hoch!
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Giuseppe
Sick bruder
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