Heute konnte ich endlich einmal am Aikidō-Training der Universität Okayama teilnehmen. Da ja einige Leute bereits sehnsüchtig warten, könnt ihr hier nun einen ersten schnellen Erfahrungsbericht lesen - ohne Bilder.
Vor Trainingsbeginn
Da es heute meine erste Teilnahme sein sollte, kam ich bereits eine halbe Stunde früher zur Kampfsporthalle, um dann ein eintretendes Clubmitglied am Eingang ansprechen zu können. Mir wurde sofort mitgeteilt, dass ich natürlich teilnehmen könnte. Von dem, was ich im Vorfeld über den Club hörte, war mir schon klar, dass auch internationale Studierende gerne teilnehmen dürfen, nichtsdestotrotz ist sowas aber sehr erfreulich.
Es ging also in einen typisch japanischen Eingangsbereich, welcher im Vergleich zum restlichen Hallenboden etwas tiefer ist. Hier zieht man die Schuhe aus und stellt sie so hin, dass man beim Verlassen der Halle sofort in die Schuhe schlüpfen kann, ganz gemäß japanischer Etikette. Ich wurde gebeten, mich solange auf das Sofa im Eingangsbereich zu setzen. Der Sensei sei momentan noch in Tōkyō, einer seiner ranghöheren Schüler leite heute das Training. In der Zwischenzeit kamen mehr Clubmitglieder; ich wurde bald zum Mittelpunkt des Geschehens. Von allgemeineren Fragen wie "Hast du schon einmal Aikidō gemacht?" über "Bist du zum Zusehen hier oder hast du bereits einen Kampfanzug?" bis zu Bemerkungen wie "Du hast aber runde Augen!" war alles dabei. Das Erfreuliche für mich: Es gibt kaum jemanden, der eine Fremdsprache wie Englisch spricht! Genau dafür bin ich ja hier! Naja, und natürlich um Aikidō zu machen, was denkt ihr denn!?
Während einige anfingen, selbständig die Halle zu fegen und die Matten zurecht zu rücken, durfte ich mich schonmal umziehen gehen; immerhin war der Trainingsleiter noch nicht da. In der Umkleide ging es mit den Vorstellungen noch weiter, ebenso, als wir in der Halle auf den Trainingsbeginn warteten. Einige fingen bereits an, mit leichten Techniken herumzuspielen, einige wollten schon sehen, ob der deutsche, mittlerweile im dritten Jahr trainierende Aikidōka auch schon was kann. Also gab es von mir ein spielerisches Kaiten-nage (uchi), begleitet von überraschtem Staunen. Nun war auch der Trainingsleiter da, ebenfalls ein Student, kaum älter als ich. Er fragte mich, ob ich Ukemi (Fallschule) kann, also führte ich ihm auch das kurz vor (Taten sind ja bekanntlich stärker als Worte). Wieder dieses Staunen, diesmal mit leichtem Applaus. In Deutschland würde ich das ja sofort als Ironie empfinden, aber hier wirkt es definitiv wie eine Nettigkeit. Und dann begann auch schon das Training, also runter vom gepflegten Holzfußboden und rauf auf die Matte.
Wir betraten natürlich erst nach und nach die Matte, sodass die höherrangigen Aikidōka (in erster Linie Dan-Träger) in der vorderen Reihe und der Rest in der hinteren Reihe standen. Der höchstrangige Schüler befand sich ganz vorne rechts in diesen zwei Reihen. Anschließend betrat dann der Trainingsleiter die Matte.
Das Training
Das Training wird natürlich auch hier mit Verbeugungen eingeläutet; der Hauptunterschied ist definitiv die Menge (ich habe aufgehört, zu zählen). Vordehnen ist auch bekannt, mit dem Unterschied, dass die Beine mehr gedehnt werden. Außerdem gab es eine sehr merkwürdige Dehnübung, die auf mich ein wenig wie ein Krabbengang wirkte: Abknien, Knie zusammen, Füße voneinander im Abstand und dann ein Bein nach vorne setzen, abknien, das andere Bein nachziehen, um den Kniesitz wiederherzustellen, dann das Ganze mit dem anderen Bein. Natürlich sind alle darin sehr geübt!
Jede Technik, die vorgeführt wird, wird im Kniesitz verfolgt und abschließend vom Trainer namentlich genannt. Am Ende der Vorführung verneigt man sich zweimal: das erste Mal für die Vorführung und das zweite Mal, weil der ranghöchste Schüler sagt, dass wir das Gezeigte so nachmachen sollen.
Die heute trainierten Techiken umfassten im Grunde Shihō-Nage, Ude-Osae und Irimi-Nage. Alle Angriffe wurden im Stand ausgeführt, sogar Ushiro-Katate-Tori! Eine Besonderheit beim Shihō-Nage war das gewollte Einknicken und Festhalten des Ellbogengelenks des Angreifers, ebenso hatten wir den Ude-Osae mit einem Bokken geübt! Erstaunlich fand ich auch die grundsätzlich sehr sanfte Ausführung aller Techniken, insbesondere des Irimi-Nage! ;-)
Insgesamt waren wir rund 25 Leute und haben stets in Dreiergruppen geübt. Beim Zusammenfinden einer Gruppe verneigt man sich im Kniesitz und bittet um den Gefallen, zusammen zu trainieren. Jeder führte vier mal aus, beim Wechsel folgt immer folgender Wortwechsel: Der eben noch ausführende sagt "Wir wechseln", die Trainingspartner bedanken sich. Der nächste Ausführende bittet dann erneut um den Gefallen, mit ihm zu trainieren, diesmal ohne abzuknien. Am Ende einer Übungseinheit, also wenn der Trainingsleiter klatscht und zur nächsten Vorführung ansetzt, kniet man innerhalb der Dreiergruppe ab, um sich noch einmal verneigend zu bedanken. Dann ordnet man sich in die am Anfang beschriebene Zweierreihe ein.
Das Trainingsende läuft wie der Trainingsbeginn ab, nur mit dem Unterschied, dass noch wichtige Anliegen vorgetragen werden dürfen. Anschließend verlässt man hierarchisch geordnet nach und nach die Matte, rückt sie wieder zurecht und fegt sie erneut.
Nach Trainingsende
Nun ist also das Training zu Ende. Jetzt kommt aber der eigentliche Kracher: Man darf noch in der Halle bleiben und, solange wie man will, weiterüben! Die Kampfsporthalle ist nämlich rund um die Uhr geöffnet und an Diebstahl oder Vandalismus ist überhaupt nicht zu denken! Gefühlte zwei Drittel des Clubs bleiben tatsächlich noch eine Weile, um selbständig das eben gelernte zu festigen! Ich war ebenfalls herzlich dazu eingeladen. Die Zeit nutzte ich dann auch, um mich noch ein wenig mit den Clubmitgliedern zu unterhalten. So durfte ich feststellen, dass es dort anscheinend wirklich jedem freigestellt ist, einen Hakama zu tragen. Die Frage kam bei mir deswegen auf, weil von den Damen, die ja die Hälfte des Clubs ausmachen, fast jede einen Hakama trägt, von den Herren aber kaum einer. Angeblich ist es tatsächlich so, dass sich die Damen direkt schon zu Beginn den Hakama kaufen, wohingegen die Herren in aller Regel bis zum ersten Dan warten. Außerdem scheint für die meisten eine Trainingszeit von zwei Jahren für den Erhalt eines schwarzen Gürtels ausreichend zu sein.
Mein vorläufiges Fazit: Das Training in Japan ist wesentlich deutlicher von Etikette geprägt und dennoch ist die Trainingsatmosphäre sehr entspannt. Außerdem ist es nicht einmal anstrengender, aber bei der Hitze schwitzt man trotzdem wie ein Wasserfall. Ich freue mich jedenfalls schon auf das nächste Training am Freitag und natürlich auch auf meine Trainingspartner! Ich habe jetzt schon ein ganz schlechtes Gewissen, dass ich die meisten Namen vergessen haben werde.
Da bekommt man ja richtig Lust, selber dort mit zu machen. Praktischerweise ist heute Mittwoch und ich werde gleich zum Aikido gehen.
AntwortenLöschenFreut mich zu hören, dass die Leute dich dort so freundlich empfangen haben.
Es ist heute bereits passiert: Im Supermarkt wurde ich von einem Aikidōka angesprochen. Die Namen waren glücklicherweise auf beiden Seiten nicht mehr präsent.^^
AntwortenLöschenHallo Fabio, vieln Dank für Deinen ersten beeindruckenden Bericht vom AIKIDO-Training in Japan. Es hat mich gefreut, dass Du so problemlos als Gajin im Dojo angenommen worden bist. Ich bin stolz darauf Dir doch soviel "beigebracht" zu haben, dass Du dort "bestehen konntest. Und das mit der Etikette, nunja, dass könnt Ihr gerne auch in Bochum haben. Dann müssten sich allerdings einige doch sehr Im Trainingsverhalten ändern.
AntwortenLöschenEs wäre schön, wenn Du regelmäßig berichten würdest.
Viele Grüße
Jürgen
PS: vorletzte Stunde im Ferienprogramm: 11 Teilnehmer.
PS: Fabio, Du kannst den Trainern ja unsere Homepage
Löschenwww.ruhr-uni-bochum.de/aikido
und Facebook
www.facebook.com/Aikido Rub
mitteilen.
Dein Bericht findet ich so gut, dass ich ihn gerne bei der Überarbeitung meiner "Multimediale Einführung in das Aikido" aufnehmen - natürlich unter Nennung Deiner Person. Wäre das i.O.?
Freut mich, dass dir mein Bericht so gut gefällt. Geht in Ordnung!
LöschenIst die Facebook-Adresse mit dem Leerzeichen so wirklich korrekt?
Löschenhttps://www.facebook.com/aikido.rub
AntwortenLöschenGut, dass Du nachgefragt hast.
Da fällt mir ein, eigentlich könnte man Deinen Bericht auch auf der Seite des Hochschulsports versuchn zu plazieren. Es ist doch schön zu lesen, wenn ein RUB Student ein Jahr nach Japan geht und dort auch Erfahrungen sammelt in einer Kampfkunst, die an der RUB angeboten wird. Ich verspreche mir da auch einen gewissen Werbeeffekt. Was hälst Du davon?
Gruß
Jürgen
Sicher, bekomme ich dann einen Anteil an den Einnahmen? :D
LöschenIst nur Spaß, kannst du gerne machen; würde mich auch freuen, wenn dadurch mehr Interessenten kämen.
Hier ist der E-mail Text an den Hochschulsport zur Info. Vielleicht machen sie es ja.
AntwortenLöschenHallo Christian,
Fabio Sbirziola, RUB-Student und Angehöriger der AIKIDO-Fortgeschrittenengruppe, absolviert zurzeit einen einjährigen Studienaufenthalt an der Okayama Universität in Japan. Dort hat er jetzt das erste Mal am Aikidō-Training der Universität Okayama teilgenommen und seine Erfahrungen in einem Reiseblogg niedergeschrieben.
Ist es möglich, dass auf der Homepage des Hochschulsports zu veröffentlichen?
Viele Grüße
Jürgen.
Konichi wa Fabio san,
AntwortenLöschenich habe Dir die Rückäußerung des Hochschulsportteams angefügt.
Gruß
Jürgen
Hallo Jürgen,
danke für die Weiterleitung.
Wir können daraus in nächster Zeit eine News auf unserer Homepage machen. Es ist ja schön zu sehen, wenn "unsere Kurse" in die Welt hinausgetragen werden bzw. in Japan gesehen wird, dass Aikido auch in Deutschland Interessenten hat...
Derzeit haben wir viele Infos rund um den Anmeldestart, aber sobald es etwas ruhiger wird, werden wir versuchen, eine News daraus zu verfassen.
Bzgl. der Mattenproblematik am Mittwoch werde ich mich heute bzw. morgen im Laufe des Tages noch melden.
Viele Grüße
Christian
Na, dann bin ich mal gespannt.
LöschenDeine 5 bis 7 Tage- Regel brökelt...
AntwortenLöschenGrüße,
Giuseppe
Hi, ich musste zu viele Fotos durchstöbern. Hat etwas länger gedauert, als gedacht. Der neue Post ist jetzt online.
Löschen